Feuilleton online | Neues Museum - Museumsinsel Berlin | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
18.10.2009 / Anne Schäfer-Junker
Das Neue Museum auf der Museumsinsel Berlin ist wiedereröffnet |
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© Fotos: Anne Schäfer-Junker |
Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer und die Direktoren der 3 im Neuen Museum beheimateten Museen begrüßten zahlreiche Gäste. Das Neue Museum, das Jahrzehnte Kriegsruine geblieben war und nun glanzvoll wiederhergestellt ist, öffnet erstmals nach siebzig Jahren wieder seine Pforten. Auf einer Pressekonferenz im Griechischen Saal am 15. 10. 2009 (s. Foto) wurde das Haus den 400 anwesenden Journalistinnen und Journalisten vorgestellt. Inklusive der Ersteinrichtung (12 Mio. Euro) beliefen sich die Kosten für die Wiederherstellung des Neuen Museums auf rund 212 Mio. Euro, die vom Bund getragen wurden. Die insgesamt rund 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf vier Ebenen teilen sich das Ägyptische Museum und Papyrussammlung und das Museum für Vor- und Frühgeschichte, ergänzt durch Objekte der Antikensammlung. Sowohl der ägyptischen als auch der vor- und frühgeschichtlichen Sammlung steht damit rund dreimal so viel Platz zur Verfügung wie an ihren vorherigen Ausstellungsorten. Gemeinsam mit der Antikensammlung werden sie im Neuen Museum fast 9000 Objekte zeigen, darunter die berühmte Büste der Nofretete. Das älteste Objekt im Neuen Museum ist ein 700.000 Jahre alter Faustkeil der Altsteinzeit, eines von rund 5700 ausge-stellten Objekten des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Auch das jüngste Objekt stammt aus dieser Sammlung: Ein Stück Stacheldraht der Berliner Mauer. Zu den herausragen-den Objekten der Sammlung zählen der bronzezeitliche „Goldhut“ und die Schädel des Neandertalers von Le Moustier und des Menschen von Combe Capelle. Auch die weltberühmte Troja-Sammlung, die Heinrich Schliemann den Berliner Muse-en schenkte und deren Goldschatz als Kriegsbeute der Roten Armee von Berlin abtransportiert wurde und noch heute in Moskau verwahrt wird, ist Bestandteil der Ausstellung. Die Highlights des Ägyptischen Museums sind der „Grüne Kopf“, drei frisch restaurierte Opferkammern aus dem Alten Reich sowie die Amarna-Sammlung. Letztere kam auf Grund-lage einer offiziellen Fundteilung 1913 und durch den Mäzen James Simon nach Berlin. Zu ihr gehört auch die berühmte Büste der Nofretete. Abgesehen von einer Büste Simons ist sie das einzige Objekt im Nordkuppelsaal und wird in einer vier Meter hohen Vitrine präsentiert. Das Ägyptische Museum be-spielt mit seinen über 2500 ausgestellten Objekten rund 150 Vitrinen unterschiedlicher Größe. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte zeigt seine Objekte in insgesamt 160 Vitrinen. |
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Im Focus - vier Blickpunkte Der erste Blickpunkt: Die Deckentapete im Mythologischen Saal, von 1845 Der Blick entlang der Längsachse des Mythologischen Saals fällt auf den Pharao: die Beterfigur des Königs Amenemhet III., 12. Dynastie, um 1840–1800 v.Chr., aus Granit, Höhe 200 cm, Memphis. Das altägyptische Herrscherbildnis ist ein Zeugnis der in der Weltgeschichte einzigartigen politischen Stabilität des Pharaonenreiches. Tradition hatte einen hohen Stellenwert, und so blieb die Herrschaftsform über Jahrhunderte stabil, ebenso wie Gewänder und Schmuck der Pharaonen kaum Veränderung erfuhren. Die Kronen von Oberund Unterägypten sowie das Königskopftuch (ägypt. nemes) zeichnen den Herrscher durch alle Epochen aus. Die aufgebäumte Uräusschlange an der Stirn jedes Mitglieds der Königsfamilie signalisiert die Unnahbarkeit und Unverletzlichkeit des Königshauses. Die charakteristische Tracht des Königs ist der kurze plissierte Schurz (ägypt. schendschut). Trotz aller Traditionstreue lässt jede Statue den Menschen erkennen, der Geschichte gestaltet. Der ägyptische König ist nicht Gott, sondern Mensch – ein besonderer Mensch allerdings. In betender oder opfernder Haltung dargestellt, wird seine Rolle als Vermittler zwischen Mensch und Gott betont.
Die Wiederentdeckung des alten Ägypten Der zweite Blickpunkt: Die Bibliothek der Antike
Der dritte Blickpunkt: Seit der Steinzeit wollten die Menschen den Rhythmus der Natur verstehen und nutzen. Ein besonders beeindruckendes Zeugnis astronomischer Kenntnisse ist der in Hinsicht auf Größe und Erhaltungszustand einzigartige, aus Gold getriebene bronzezeitliche Zeremonialhut. Die Stempeleindrücke auf dem fast papierdünn ausgetriebenen Goldblech weisen Bezüge zu Himmelskörpern auf. Die Sonne, an die die Goldfärbung und das Strahlen-muster auf der Spitze als Erstes erinnern, bewirkt durch ihren scheinbaren Umlauf Tag und Nacht sowie die Jahreszeiten. Der Mond, vielfach auf dem Hut dargestellt, erlaubt die Unterteilung in Monate und Wochen. Anordnung und Zahl der Ornamente ist nicht zufällig, denn sie erlaubt Berechnungen des 19-jährigen Sonne-Mondzyklus mit 228 Sonnen- bzw. 235 Mondmonaten. Wer dieses Ornament zu deuten verstand, konnte die kalendarischen Verschiebungen zwischen Sonnen- und Mondjahr berechnen, Mondfinster-nisse voraussagen und Festtermine bestimmen.
Die Entzifferung der Stempelmuster vermittelt ein ganz neues Bild vom astronomischen Wissen der Frühzeit: Über ein halbes Jahrtausend bevor der Grieche Meton 432 v. Chr. die Verschiebungen im Sonnen-Mond-Rhythmus mathematisch berechnete, waren diese den bronzezeitlichen Gelehrten bereits bekannt! Der goldene Hut dürfte bei zere-moniellen Anlässen von einer Herrscherpersönlichkeit getragen worden sein, die auch rituelle Funktionen wahrnahm. Weitere bronzezeitliche Funde belegen, dass astro-nomisches Wissen gerne verschlüsselt auf wertvollen und sakralen Gegenständen dokumentiert wurde. Einige dieser frühen Belege für Beobachtungen des Himmels werden in diesem Saal thematisiert: Kreisgräben der Jungsteinzeit, die als Sonnenobservatorien genutzt wurden, mesopotamische Zeugnisse kalendarischer Berechnungen, astrale Symbole aus Troja und aus Mitteleuropa, Kalendarien aus römischer Zeit bis hin zum islamischen und jüdischen Kalender. Besonders beein-druckend ist die Darstellung eines Sonne-/Mondkalenders auf der Gürtelscheibe von Heegermühle. Der vierte Blickpunkt: Der Rote Saal wurde einst für das Kupferstichkabinett konzipiert und diente als Studiensaal und Depot. Er ist durch vier Fensterachsen und die Bogensehnenträger der Decke gegliedert. Die Raumbezeichnung geht auf die rote Wandtapete zurück. Über den Fenstern befanden sich Bilder mit Porträts berühmter Kupfer- und Stahlstecher, die heute nur noch fragmentarisch erhalten sind. In der zentralen Halbrundnische der Nordwand steht eine Porträtbüste Albrecht Dürers von Christian Daniel Rauch (1777–1857).
Die Vitrinen wurden um 1880 offenbar in großer Zahl für die Königlichen Museen gebaut und waren in unterschiedlichen Häusern im Einsatz, so im Kaiser-Friedrich-Museum (heute Bode-Museum) oder im Martin-Gropius-Bau, dem letzten Vorkriegsdomizil des Museums für Vor- und Frühgeschichte.Historische Fotos belegen, dass sie dort in der Schausammlung bis zum Kriegsbeginn genutzt wurden. Die heute im Roten Saal aufgestellten Vitrinen mit ihrer originalen Inneneinrichtung haben die Zeiten als Depotschränke überdauert und konnten nun wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt werden. Quelle: Museumsführer Neues Museum, Prestel Verlag München, 2009. Hrsg. Friederike Seyfried und Matthias Wemhoff |
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